Vom 27. August bis zum 17. September 2010
Miteinander leben – voneinander lernen
,,Ometepe ist wie ein Schiff,
das einen Rettungsring bekommen hat,
damit es nicht untergeht“,
lautet ein Teil der Übersetzung des Berichts des Projektleiters Alcides Flores, als sich auf Einladung des Landrats des Oberbergischen Kreises die sechsköpfige Delegation von der Insel Ometepe im Großen Nicaragua-See im Kreishaus in Gummersbach vorstellte. Die Einladung erfolgte wenige Tage vor der Abreise der Delegation, die zu einer dreiwöchigen ökumenischen Lernreise aus Ometepe/Nicaragua gekommen war und bereits ein umfangreiches Programm absolviert hatte.
Bereits am 8. September 2009
gab es ein Vorbereitungstreffen mit Wolfram Walbrach vom Landeskirchenamt in Düsseldorf mit den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ometepe-Projektes. Anwesend waren die Initiatoren, die Autorin Monika Höhn und Pfarrer i.R., Autor Michael Höhn, die Berufsschulpfarrerin Christa Wülfing, der langjährige Mitarbeiter und ehemalige Geschäftsführer Hans Ludwig Mayer von EIRENE, Christlicher Friedensdienst, Managua, der seit einigen Jahren wieder in Deutschland lebt, sowie die pensionierte Textillehrerin und Künstlerin Edith Fischer, die zur Zusammenarbeit mit den Lehrern bereits in der Schule La Esperanza auf Ometepe war. Die zentrale Zielsetzung des Vorhabens wurde geplant und an den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED)ein Antrag gestellt.
Im April 2010 erhielten wir das ,,Grüne Licht“ vom EED für die geplante Reise. Leider hatten sich in der Zwischenzeit die Flugpreise – es waren bereits die Sommerpreise – um 400 € pro Ticket erhöht, und trotz vielfältiger Bemühungen war es uns nicht möglich, für diese Reise günstigere Tickets zu erhalten. Die ausgewählten jungen Erwachsenen waren frühere Schülerinnen und Schüler, die durch die finanzielle Förderung seitens des Projektes ihren Schulabschluss sowie ein Universitätsstudium absolvieren konnten und inzwischen ihre Familien dadurch unterstützten, dass sie in Berufen arbeiten. (Hotel, Touristik, Landwirtschaft, Schule). Ihre Studienunterstützung muss mit kleinen monatlichen Raten an das Projekt zurückgezahlt werden, damit andere wieder in den Kreis der Studienförderung aufgenommen werden können.
Durch unsere jährliche Anwesenheit auf der Insel Ometepe seit 1993 und die langjährige Zusammenarbeit, in der mit uns über 150 Menschen – Spenderinnen und Spender, Praktikanten, Ärzte und Interessierte – mit nach Nicaragua reisen konnten – haben sich inzwischen vertrauensvolle Beziehungen entwickelt, so dass unsere partnerschaftliche Entwicklungs-Zusammenarbeit auf festen Füßen steht und viele Deutsche die Familien auf Ometepe mit ihren Kindern kennen lernen konnten.
Das war eine hervorragende Voraussetzung für den Aufenthalt der jungen Nicaraguaner, die zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Insel für eine solche Reise nach Europa verlassen haben.
Im Juni 2010 waren wir für einen vierwöchigen Aufenthalt auf der Insel. Alle BesucherInnen erhielten von uns das in Spanisch übersetzte Programm, das die deutschstämmige, auf der Insel lebende Karin Allgeier mit nicaraguanischer Staatsbürgerschaft, für die Gruppe übersetzt hatte. Wir haben uns in dieser Zeit mehrfach getroffen, um Fragen zu beantworten, auf Unsicherheiten und Ängste einzugehen und mit ihnen die Dinge zu besprechen, die ihnen auf der Seele brannten. (Wie ist das mit dem Flieger, wie kommen wir mit dem Essen zurecht, wie mit den Familien und unserer Sprache, wie mit dem Klima, welche Kleidung benötigen wir, da wir keine dicken Kleidungsstücke besitzen, welches Geld brauchen wir?)
Während dieses Aufenthaltes auf Ometepe haben wir alle Mitreisenden in ihren Familien besucht und ihr Lebensumfeld fotografiert und filmisch festgehalten.
So konnten wir die jungen Leute in ihrer Heimat und bei der Arbeit mit ihren Familien auf einer Schautafel bei unseren verschiedenen Besuchen in Kindergärten, Kirchengemeinden, Schulen und Behinderteneinrichtungen dokumentieren. Gleichzeitig waren diese Foto-Dokumente eine pädagogische Hilfe für sie, sich bei ihren Vorstellungen zu präsentieren.
,,Das bin ich, ich wohne direkt am See, an dem es kein Trinkwasser gibt. Hier an diesem Brunnen muss ich täglich 20 Eimer Wasser für meine Familie besorgen…, meine Mutter macht am offenen Feuer Popcorn aus Mais, den sie in kleinen Tüten beim Baseball-Spielen am Sonntag für unsere Familie verkauft. Das ist ein kleines Einkommen…“
,,Das ist meine Familie, wir kommen alle aus der Landwirtschaft. Ich habe ein wenig deutsch gelernt und arbeite auch als Touristenführer. Hinter meinem Haus gibt es nun eine kleine Kaffeeplantage mit 300 Kaffeepflanzen…Meine Schwester bekommt aus dem Projekt zur Zeit eine Studienförderung. Vielleicht kommt sie auch einmal in den Genuss, eine solche Reise machen zu können. Jedenfalls hat diese Reise mein Leben völlig verändert.“
Unterbringung der Gäste, Essen, Transport, Kosten
Drei junge Männer und der Projektleiter konnten privat bei Familie Höhn leben, zwei Frauen, die Übersetzerin Karin Allgeier und die Vorschullehrerin Mercedes Fernandez Guitiérrez sind bei den Nachbarn untergekommen.
Ein kleiner Bus, mit dem in dieser Zeit insgesamt 1.600 km zurückgelegt worden sind für Kurzstecken innerhalb unserer ,,Projektziele“ wurde von einer Firma zur Verfügung gestellt.
Für den Aufenthalt und zusätzliche Kosten (z.B. Eintrittsgelder, Parkgebühren, Getränke, Eis, Essen außerhalb etc.) hatten wir im Vorfeld Sparkassen, die Stadt Wiehl und einige Privatpersonen angesprochen, so dass uns ein Betrag von insgesamt 1.260 € für drei Wochen für sechs Personen zur Verfügung stand. Davon erhielt jeder Teilnehmer 50 € Taschengeld. Der Aufenthalt wurde weitgehend aus privaten Mitteln finanziert.
Bei einem ersten Rundgang
durch das Dorf Börnhausen gab es über die Wohnsituation der oberbergischen Einheimischen interessante Fragen: warum leben die Kinder nicht gemeinsam mit ihren Eltern? Warum leben so viele alte Menschen allein in ihrem Haus? Warum gibt es so wenig Menschen auf der Straße? Was ist ein Altenheim? Auffällig ist die Sauberkeit auf den Straßen und der Autobahn. (Bewunderung für unsere Mülltrennung!) Fährt jeder ein eigenes Auto?
Während des Frühstücks gab es Fragen: warum gibt es für jedes Getränk ein eigenes Glas?
Wozu so viele Teller? Wie sterben die Menschen hier? Warum haben die Frauen so wenige Kinder? (Einerseits waren sie begeistert von einer gezielten Familienplanung wegen der Bildungschancen, andererseits konnten sie die Planung von 1 – 2 Kindern nicht nachvollziehen.) Arbeitslosigkeit hier bei uns, Mietpreise, Studium und Ausbildung, waren
Themen, die sie besonders interessierten.
Wir hatten uns bemüht, zum Frühstück ihren gewohnten gallo pinto (Reisgericht mit Bohnen) mit auf den Tisch zu bringen und stellten fest, dass sie diesen als erstes und sehr gerne aßen. Auch ein Sandwich (Toast mit Schinken, Tomate und Käse) gehörte zum alltäglichen Frühstück, während Müsli, Marmelade, Käse und Yoghurt eher nicht ihrem Geschmack entsprach.
Anstelle von Kaffee wurde eher Saft getrunken, oder Milch mit wenig Kaffee. Mit Tee taten wir ihnen keinen Gefallen. Viele süße Geschenke wurden in die Koffer gepackt und für die Familien mit nach Hause genommen.
Zum Mittag habe ich oft Reisgerichte zubereitet und beim Fleisch wurde danach gefragt, ob es Schwein oder pollo (Hühnchen) sei.
Besuche
Friedhöfe, Behinderteneinrichtungen, Hospiz, Kindergärten, kaufmännische und gewerbliche Berufsschulen, Moscheebesuch, Verwaltungsamt des Ev. Kirchenkreises An der Agger, in dem unsere Spendengelder verwaltet werden, Landratsempfang, Vortrag über alternative Energien und Wasserversorgung durch den Aggerverband, Gespräche mit der ökumenischen Initiative Check-Point der Ev. Kirchengemeinde Wiehl, Arztbesuche – insbesondere Zahnarzt – standen mit auf dem Programm. (Zahngold für Ometepe macht einen jährlichen Betrag von ca. 30.000 € aus.) Hier haben sich insgesamt 13 Zahnärzte an unserer Aktion für die Behinderteneinrichtung auf Ometepe beteiligt und so war es gut, die Gäste persönlich vorzustellen.
Die Schulbesuche in den Behinderteneinrichtungen
der Hugo-Kükelhaus-Schule und der Helen-Keller-Schule mit Physiotherapie und Ergo-Therapie und der Möglichkeit, an einer Schulstunde teilzunehmen, waren besonders beeindruckend.
Ebenso ein Besuch im integrativen Kindergarten mit Behinderten, Nichtbehinderten und einem hohen Ausländeranteil und anschließendem therapeutischen Reiten stand auf dem Programm.
Die Leiterin der Einrichtung hatte Ometepe bereits besucht und kannte Klinik, Schule und Schulküche des Projektes, so dass sich auch hier wieder gemeinsame Anknüpfungsgespräche ergaben.
Im gewerblichen Berufskolleg des Oberbergischen Kreises in Gummersbach, eine Schule mit 3.000 Schülerinnen und Schülern und 130 Lehrkräften sahen die Gäste ein Modellhaus, das nach den Häusern auf Ometepe gebaut worden ist. Die Bauabteilung hatte nach dem Vorbild des Hausbaus – die Steine werden aus Plastikflaschen und Zement hergestellt – ein Haus aufgebaut, das unter der Schirmherrschaft des Landrats steht und zu Demonstrationszwecken und Werbung als Eine-Welt-Haus mit Fotos der Menschen in Nicaragua auf dem Schulgelände steht. Die Steine des Hauses wurden mit Mülltüten gefüllt und Zement verarbeitet, so dass der Hausbau auf Ometepe auf diese Weise gezeigt werden konnte.
Hotelfachklassen hatten zum Essen eingeladen, die Schulküche konnte besichtigt werden, ebenso die KFZ-Abteilung.
Vom kaufmännischen Berufskolleg waren vor einigen Jahren insgesamt fünf Lehrkräfte auf Ometepe. Eine Spanischlehrerin hatte mit ihren Schülerinnen und Schülern den Unterricht mit dem Besuch der nicaraguanischen Gäste vorbereitet, die sich dann in Kleingruppen an verschiedenen Tischen verteilten und ohne die Anwesenheit der Lehrer miteinander ins Gespräch kamen. Am Ende tauschten sie email-Anschriften aus, neue Kontakte entstanden.
Wir haben eine Power-Point-Präsentation für das Abschiedsfest vorbereitet, aus der die täglichen Besuche noch einmal lebendig werden. Mit dieser Präsentation kann nun auch auf Ometepe gearbeitet werden und neue Multiplikatoren für die Eine-Welt-Arbeit gefunden werden.
Das Ometepe-Fest am 11. September 2010
war noch einmal ein absoluter festlicher Höhepunkt, bei dem Menschen verschiedener Kulturen ihre Fähigkeiten zeigen konnten.
Junge Erwachsene, die als Praktikanten auf Ometepe waren, kamen von weither angereist und es gab ein erfreuliches Wiedersehen.
Auch der Gesangsbeitrag von Manuel Guitiérrez in der Bergneustädter evangelischen Altstadtkirche war ein Dank an uns alle. Kirchenmusikdirektor Hans Wülfing erklärte den Besuchern die Funktion einer Orgel, die es in Nicaragua nicht gibt, und gab im Anschluss ein kleines Orgelkonzert.
,,Eine Lernreise, die`s in sich hatte und auf jeden Fall wiederholt werden sollte“, so die Äußerung einer Teilnehmenden.
Wir haben viel voneinander gelernt, vor allem jedoch sind aus Fremden Freunde geworden.
Monika Höhn
20.09.2010