von Dr. Hedi Hogrefe, Bergisch-Gladbach
In der Zeit vom 14.07.-05.08.2011 hatte ich die Gelegenheit, das Projekt Ometepe/Alemania in Santo Domingo auf der Insel Ometepe im Nicaraguasee kennenzulernen. Zusammen mit meiner Schwester, Magdalene Nelges, die als Lehrerin die Arbeit in der Schule La Esperanza unterstützte, wohnten wir in der Quinta Monika, wo wir sehr herzlich von Berta, die im Nachbarort San Fernando lebt, versorgt wurden.
Drei Wochen lang habe ich den nicaraguanischen Arzt, Dr. Roberto Alvarado, bei seiner Arbeit in der Ambulanz begleitet, wo täglich Patienten aus der näheren und weiteren Umgebung, zum Teil zu Fuß, per Autobus oder mit dem Fahrrad eintreffen, um sich in der „clinica“ behandeln zu lassen. Der Anteil der Frauen und vor allem der Kinder ist besonders groß, das Spektrum der Erkrankungen reicht von Infektionen der oberen Luftwege über Magen-Darm-Erkrankungen, Wurmbefall, superinfizierten Hauterkrankungen, Verletzungsfolgen bis zu depressiven Problemen.
Ich habe Roberto als sehr erfahrenen und einfühlsamen Arzt erlebt, der sich sehr viel Zeit nimmt, die Probleme der einzelnen Patienten zu erkennen und zu behandeln. Besonders gut hat mir die intensive Kommunikation zwischen ihm, der Psychologin Karla und dem neuen Physiotherapeuten Rodrigo gefallen. Es findet ein regelmäßiger intensiver Austausch über problematische Patienten statt. Somit ist eine zeitnahe, unkomplizierte Übernahme der jeweiligen Patienten durch den Fachkollegen gewährleistet.
Die Psychologin Karla versteht es, mit ihrer temperamentvollen, offenen Art, das Vertrauen der Patienten, besonders auch der Kinder, die zum Teil in sehr schwierigen Familienverhältnissen aufwachsen, zu gewinnen. Mit gutem Erfolg führt sie auch bei Schmerz- und Erschöpfungspatienten eine Akupunkturtherapie durch.
Die Vielzahl von behinderten Kindern wird in der Physiotherapeutischen Abteilung sowohl krankengymnastisch, ergotherapeutisch als auch logopädisch betreut. Zwei bis dreimal pro Woche werden sie, meistens gemeinsam mit ihren Müttern, vom Ambulanzbus aus ihren zum Teil sehr weit entlegenen Wohnorten zur Therapie gebracht, wobei auch die Mütter angeleitet werden, die Übungen zuhause mit ihren Kindern durchzuführen.
Rodrigo, der Physiotherapeut, legt großen Wert darauf, die Kinder so gut wie möglich zu motivieren und zur Eigenständigkeit zu führen, da viele Mütter dazu neigen, ihre Kinder zu „beschützen“ indem sie „alles für sie tun“. Mit seiner aufmunternden Art gelingt es ihm wunderbar, die Patienten zur Mitarbeit zu bewegen.
Jeden Dienstag wird in San Pedro, einem weit entfernt gelegenen Ort in einer kleinen Gesundheitsstation praktiziert. Die Strassen dorthin sind so schlecht, dass keine öffentlichen Busverbindungen bestehen und der Ambulanzbus, besonders in der Regenzeit, nur mühsam dorthin gelangt.
Während meines Aufenthaltes hatte ich die Möglichkeit, den Arzt und den Physiotherapeuten bei einigen Hausbesuchen zu begleiten, um vor Ort zu beraten, wie das tägliche Umfeld der Behinderten verbessert werden kann. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich die armseligen Wohnverhältnisse verschiedener Familien kennenlernen, die teilweise mit sechs bis zehn Personen in einem Raum leben, den sie sich oftmals noch mit Hunden, Hühnern und Schweinen teilen.
Bei all dieser Armut haben uns die Offenheit, die Herzlichkeit und auch die Fröhlichkeit der Insulaner sehr beeindruckt. Wir haben sie in ihrem Lebensalltag erlebt, wurden von ihnen in ihre Hütten eingeladen und manchmal auch bewirtet. Besonders die Kinder waren neugierig und ließen sich gerne von uns fotografieren.
Neben dem intensiven Kontakt zu den Menschen haben uns auch die Schönheit der Insel Ometepe, die farbenfrohe Pflanzenwelt, die imposante Tierwelt und immer wieder der Blick auf die beiden Vulkane Maderas und Concepción in ihren Bann gezogen.