Buchbesprechung

Hermann Schulz hat das neue Buch von Monika Höhn – Wir sind dabei, Geschichte zu verändern Frauen in Nicaragua auf der Insel Ometepe  – gelesen und seine Gedanken zum Buch niedergeschrieben.

Buchbesprechung

Monika Höhn
Wir sind dabei, Geschichte zu verändern
Frauen in Nicaragua auf der Insel Ometepe
252 Seiten, broschiert, 14,00 €
Iatros-Verlag, Potsdam

Der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano wurde in einer Veranstaltung gefragt, ob er sich als ‚Stimme der Armen und Rechtlosen‘ fühle. Unwillig antwortete er: „Sie haben ihre eigene Stimme! Ich kann vielleicht helfen, dass sie sprechen – und dass man sie hört!“ An diesen Ausspruch musste ich denken, als ich das neue Buch von Monika Höhn las: Sie hat die Armen zum Sprechen gebracht! Und wir sollten sie anhören!

Die vielfältigen Themen und Probleme, die sie aufgezeichnet hat, die Erfahrungen, die sie weitergibt nach mehr als zwanzig Jahren Freundschaft mit dieser kleinen Insel im Großen See von Nicaragua, spiegeln das so pralle wie leidvolle Leben dieser Insel, aber auch das ganze Nicaragua. Denn Armut, Unterdrückung, Unterernährung, Gewalt und Machismo sind vergleichbar in den Gesellschaften von ganz Zentralamerika und darüber hinaus. Und auch der unglaubliche Mut von Frauen, die sich nicht damit abgefunden haben und dabei sind, „ihre Geschichte zu verändern“. Das hört sich beinahe pathetisch-philosophisch an, aber hier geht es um harte Wirklichkeiten.

Ein Satz kommt in verschiedenen Formulierungen immer wieder vor: „Ich fing an, mich zu fragen …“ (oder: „Ich fing an, Gott zu fragen …“ Ist das wirklich ein Unterschied?). Das stand fast immer am Anfang der Veränderungen, von denen dreißig Frauen mit großer Offenheit berichten.

Das Land hatte 1979 den Diktator verjagt – aber die Diktatur im Alltag war geblieben! Die der Gewalt in Familien und Dörfern, die der Kopfläuse, der Unterernährung, des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen, der eingefahrenen Rechtlosigkeit in den Strukturen. Und die Gewalt der Armut, von der wir hierzulande kaum eine Vorstellung haben, wenn eine Familie vor der Entscheidung steht: Saatgut kaufen oder Medikamente? Noch mehr Kinder bekommen – oder sich sterilisieren lassen? Prügel und Alkoholismus des Ehemannes ertragen – oder sich gleichgesinnten Frauen anschließen? In einem der Bücher von Monika Höhn lese ich „Vom Reichtum der Armen“. Dieser Reichtum, so erzählt dieses Buch, besteht auch in der Kraft und dem Mut zur Veränderung, zur Solidarität. Den Mut zu haben, in „einem Saal voller Nein das Ja“ herauszuschreien, wie es ein brasilianischer Dichter gesagt hat. Auch das Hilfsprojekt Ometepe der Autorin und ihres Mannes im Bergischen Land ist ein solches Ja.

Es geht um die Würde jedes einzelnen, von der dieses Buch eindrücklich berichtet. Auf diese Weise ist es ein Buch nicht nur für Nicaragua- oder Ometepe-Freunde, sondern geht uns alle an. Weil die Würde (von Frauen, Kindern und Männern) überall auf der Welt gefährdet ist, und wir alle wie eine stärkende Medizin Beispiele mutigen Handelns brauchen.

(Hermann Schulz)

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