Berichte von der Ometepe-Reise 2010 II

Bericht von einer faszinierenden Reise nach Nicaragua

Von Matthias Schippel, ev. Pfarrer, Ehe- und Lebensberater

1. Die Ausgangslage

Ich fahre nach Nicaragua, weil ich mit meinen Freunden Monika und Michael Höhn das von ihnen gegründete Ometepe-Projekt kennenlernen möchte, über das sie mir immer erzählt haben. Ich wollte schon lange den lateinamerikanischen Kontinent kennenlernen, weil mich die Kultur und besonders auch die Musik fasziniert haben. Mein langjähriger Wunsch, nach Brasilien zu fahren, ließ sich leider nicht verwirklichen. Nun eben die Möglichkeit, nach Nicaragua zu fahren mit mir lieben Menschen. Innerhalb von 2 Wochen war die Entscheidung gefallen, nachdem mich Monika und Michael bei einem Treffen spontan fragten, ob ich nicht Lust hätte, in diesem Jahr im Juni mit ihnen und Anke Gross nach Nicaragua zu fliegen. Presbyterium, Superintendent und Leiter der Beratungsstelle stimmten in einem für mich erstaunlichen Tempo zu, und so konnten wir Anfang Januar den Flug buchen.

Was mich erwartete und mit welchen Erwartungen ich fuhr, ist nicht so einfach zu sagen. Wirkliche Armut und Maßnahmen dagegen vor Ort kennen zu lernen wäre vielleicht ein Motiv, aber etwas zu kurzschlüssig. Das Kennenlernen einer völlig anderen Kultur und Lebensweise und auch der Art und Weise, wie Menschen mit ihren Problemen umgehen oder sie zu lösen versuchen, wäre schon treffender. Darüber hinaus ging es mir auch darum, das Bewusstsein zu schärfen, sich auch klar über Wichtiges und weniger Wichtiges zu werden im alltäglichen Leben. Eine gewisse Trägheit und Gewohnheit zu durchbrechen, die sich im gewohnten Leben mit all seinen Bequemlichkeiten und Gewohnheiten einschleichen. Und so fuhr ich los, gespannt, was mich erwarten würde.

2. Nicaragua und Ometepe

Nicaragua ist ein kleines Land in Mittelamerika, das zweitärmste nach Haiti. Managua ist die Hauptstadt, dort leben auch die meisten Menschen. Der Norden ist bergig, der Süden eher flach und voller fruchtbarer Ebenen. Ein Teil des Landes liegt an der pazifischen Küste. Innerhalb des großen Nicaragua-Sees liegt die Insel Ometepe mit zwei großen Vulkanen, mit den schönen Namen Concepción und Maderas. Auf der Insel, die von der Hafenstadt San Jorge (Rivas) mit einer einstündigen Schiffsfahrt zu erreichen ist, leben ca. 35000 Menschen, die meisten in sehr ärmlichen Verhältnissen, d.h. in kleinen Hütten, oft mit drei Generationen und vielen Kindern unter einem Dach und einem Raum mit notdürftig abgetrennten Schlafstellen, in schlichten Betten, in denen meist mehrere Menschen schlafen. Es gibt eine Art Küche, das ist ein Teil der Hütte, mit einer Feuerstelle, auf dem mit Holz Essen zubereitet wird, in einem großen, rußgeschwärzten Kochtopf, in dem stundenlang Reis gekocht wird, der die Familie ernähren muss. Manchmal gibt es dazu Bohnen, das heißt dann „gallo pinto“, ein in Nicaragua beliebtes Gericht, oder auch gebackene Bananenscheiben, die satt machen. Bananen gibt es viele auf Ometepe, ebenso wie Früchte, z.B. Mangos oder Melonen. Der Reis wird von denen gekauft, die kein Stück Land zum Anpflanzen haben.

Es gibt viele Kinder in Nicaragua und auf Ometepe, die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Es gibt auch viele Tiere. Überall laufen Hunde, Schweine, Hühner herum oder auch Rinder und Pferde. Man sieht ihnen an, dass sie unterernährt sind, sie suchen Nahrung ebenso wie die Menschen. Das Klima ist in der Regel schwülwarm oder auch heiß, besonders in der Trockenzeit im Frühjahr und Ostern (um die 40 Grad). Im Juni beginnt die Regenzeit, der sehr heftig werden kann und manche Reisernte schlicht wegspült. Wenn es regnet, frieren viele Menschen, auch wenn es 30 Grad warm ist Sie husten, und besonders die kleinen Kinder werden dann zum Arzt gebracht. Die meisten „Nicas“ sind katholisch, die traditionelle christliche Religion Lateinamerikas. Es gibt aber auch protestantisch-fundamentalistische Gemeinden, sichtbar in kleinen Kirchen am Wegesrand. Auch die Zeugen Jehovas sind auf Ometepe mit 3 kleinen Kirchen vertreten. Die katholischen Nicas feiern besonders Weihnachten und Ostern, letzteres eine ganze Woche lang, mit großen Prozessionen, bei denen Jesus, Maria oder heilige Patrone durch die Strassen getragen werden. Fronleichnam erleben wir eine solche Prozession in der Stadt Altagracia.

3. Das Ometepe-Projekt

Das Ometepe-Projekt gibt es seit 1993. Das Zentrum befindet sich in dem kleinen Ort Santo Domingo am Ufer des Sees. Der Ort ist inzwischen auch touristisch erschlossen. Es besteht aus einer Schule mit Vorschul- und Grundschulunterricht, einem Physiotherapiezentrum für behinderte Kinder, einem kleinen ärztlichen Zentrum mit Zahnarztpraxis und Praxis für Allgemeinmedizin. Eine Psychologin kümmert sich um seelische Nöte. Das Ometepe-Projekt baut auch kleine Häuser für Familien in Not auf der Insel, inzwischen sind es 155, oder unterstützt eine Genossenschaft für die Vergabe von Kleinkrediten. Es hilft auch bei Bildungs- und Ernährungsprojekten und unterstützt Studenten aus Ometepe mit Stipendien. Das alles mit rund 100.000,00 € Spenden im Jahr aus Deutschland. Im Folgenden nun mein Reisebericht, in Auswahl, der einen Teil der Arbeit des Projektes sichtbar macht.

1. Tag

Wir gehen von der Quinta Monika, wo wir wohnen, die wenigen Schritte zum Zentrum des Ometepe-Projekts. Auf einem Schild steht dort „Clinica la Esperanza“ (Hoffnung).

Aus einem länglichen, flachen Gebäude dringt fröhliches Kinderlachen. Es ist die Schule mit zwei kaum schalldicht voneinander getrennten Räumen. In dem einen befinden sich 15 Kinder in blütenweißen Hemden und blauen Hosen oder Röcken, süße Kindergesichter mit tiefbraunen Augen, dunklen Haaren und besonders schöner hellbrauner Haut. In einer der Klassen unterrichtet Mercedes, eine zierliche Person, die aber mit lauter Stimme ihre Klasse dirigiert, eine Vorschulgruppe, im Raum daneben ist die 1. Schulklasse.

Nebenan ist das Physiotherapiezentrum mit dem männlichen Leiter Alvaro Sandoval und 3 weiblichen Hilfskräften. Wir werden fröhlich und warmherzig begrüßt. Mehrere Mütter mit behinderten Kindern sind in dem Raum, einige warten noch davor, alle haben Termine. Die Kinder werden unterschiedlich behandelt – die Kleineren auf einer Matte, neben den Kindern sitzt eine Therapeutin, die sich mit den Kindern beschäftigt und sich gleichzeitig mit den Müttern unterhält, die die Zeit zum Gespräch nutzen, das den anstrengenden Alltag unterbricht. Einige größere Kinder mit Lähmungen werden auf eine Liege geschnallt und aufgerichtet, anscheinend, um die Muskulatur zu stärken. In einem anderen kleinen Gebäude nebenan arbeitet die Zahnärztin Dr. Melida Luna, in einem engen Raum mit einem altertümlichen Zahnarztstuhl und mit Hilfe einer jungen Assistentin. Sie behandelt gerade eine Frau. Sie sagt, dass sie nicht nur im Notfall Zähne zieht, sondern auch Vorsorge betreibt. Auch ein Bohrer steht ihr zur Verfügung, den ein Zahnarzt in Europa wohl kaum mehr benutzen würde.

Nebenan arbeitet Dr. Roberto Alvarado in einem ebenso kleinen Raum. Eine Mutter sitzt dort mit einem Jungen, der Arzt hört seine Brust ab. Es ist eine typische Bronchitis, durch den Rauch vom Kochen in den Hütten, erklärt uns Dr. Alvarado. Er verschreibt ein Rezept, mit dem die Mutter in der kleinen Apotheke des Projekts ein Medikament abholen kann. Sie zahlt einen geringen Beitrag, soviel sie eben kann, der Rest wird vom Projekt übernommen. Dr. Alvarado behandelt, soweit er kann, in schwereren Fällen muss er natürlich zu einem Facharzt oder in eine Klinik überweisen, die es nur auf dem Festland gibt. Die notwendigen Transportkosten übernimmt ebenfalls das Projekt.

2.Tag

Wir fahren 7 km in das Landesinnere zu der Mutter eines spastisch gelähmten Jungen, der an 3 Tagen in der Woche im physiotherapeutischen Zentrum behandelt wird. Dafür muss die junge Mutter, die von ihrem Mann wegen der Behinderung ihres Sohnes verlassen wurde, große Strecken zurücklegen, und das zu Fuß über abgelegene Strecken, ihren Sohn im Rollstuhl fahrend. Einen Teil der Strecke legt sie mit dem Bus zurück. Jetzt hat sie das Privileg, von Alcides, dem Projektleiter, mit dem Auto gefahren zu werden. Wir fahren mit. Über rumpelnde Strassen – das letzte Stück ist eher ein Feldweg und erfordert hohe Autofahrkunst – geht es zur Behausung. Sie liegt abgelegt im Grünen, von wilden Pflanzen und Sträuchern umgeben. Ein Stück Weltende. Das Innere des Hauses wird zum Schlüsselerlebnis. Ein Junge, ein Mädchen, eine ältere Frau mit Stock, ein Schwein, ein Hund und ein schlafendes Huhn sind zu sehen. Zwei Räume für Menschen, mit einfachsten Mitteln ausgestattet. Eine notdürftige Abdeckung im größeren Raum für die Schlafstellen. Rückzug oder Intimität scheinen es hier nicht zu geben. Im zweiten „Raum“, einer Art Küche als Bretterverschlag mit dürftiger Abdeckung aus Holz, eine Feuerstelle mit zwei dampfenden, rußgeschwärzten Töpfen, aus denen Dampf quillt. Aus einer Öffnung ragt eine Holzvorrichtung nach draußen, als Spüle gedacht, mit einfachen Näpfen aus Blech und Plastikbechern. Ein junges Mädchen, das uns fröhlich anlächelt, spült dort gerade. Sie ist hübsch und sauber angezogen, im Kontrast zu ihrer Umgebung.

Eine Armut, die verstört und sprachlos macht, wie kann man so täglich leben, wie fühlt man sich dabei? Was tut man den ganzen Tag ohne Bücher, Radio, Fernsehen und Ablenkung aller Art, die wir gewohnt sind? Wie können Menschen so leben und trotzdem freundlich lachen wie die Mutter von Oldemar, dem spastisch gelähmten Jungen, den sie in ein abgenutztes Holzbett gelegt hat? Mir treibt es die Tränen in die Augen, ich verlasse die Hütte. Dort steht eine Art sanitäre Anlage, genauer gesagt ein Quadrat aus einfachem mannshohem Holz mit alter Plastikplane dazwischen als Sichtschutz. Ich schaue hinein – in der Mitte eine rostige Tonne mit Wasser, ein Schlauch als Leitung. Eine Art Dusche, wird uns erklärt. Ich fasse es nicht. Aber wie soll man etwas fassen, das nicht zu fassen ist…

Am meisten aber beeindruckt mich das Lachen von Mercedes, dieser jungen, bildhübschen Frau, das echt und ungeschminkt ist. Ein Lachen, das so unabhängig wirkt von dem sichtbaren Elend. Das der Armut und Enge trotzt und sich ganz dem Leben und dem Sohn widmet, den sie liebt und den sie zur Behandlung schleppt, über Stock und Stein. Für sie wird aus Mitteln des Projektes ein kleines Haus gebaut nebenan, auf dem gleichen Grundstück, denn um ein Haus zu bauen, muss man ein Stück Land besitzen. So kann sie in ummittelbarer Nähe ihrer Familie wohnen, aber auch mehr für sich sein und geschützt, denn sie fühlt sich offenbar von dem Bruder ihres Mannes bedroht.

Als wir 2 Wochen später noch einmal vorbeikommen, ist das Haus fast fertig, aus Steinen und Metall gebaut. Als sie davon erfuhr, habe sie vor Freude geweint, erzählt sie. Ihr Sohn auch.

3.Tag

Auf einem Geländewagen stehend, mit Hand am Griff, schaukeln wir über Strassen, die zum Teil mit großen Steinen übersät sind, zu Esmeraldas Haus. Sie wohnt fast am Ufer des Ometepesees, damit sie aus dem See Wasser holen kann. Nach einer scheinbar endlosen „Strasse“ Richtung See – jedes normale Auto würde hier streiken – erreichen wir Esmeraldas Haus auf wildem, abgelegenem Gelände, einsam stehend. Eine muntere Kinderschar auf dem kleinen Verandavorbau, zum Teil in weißblauer Schulkleidung. Esmeralda sitzt in einem Schaukelstuhl, neben sich die Krücken, sie ist gehbehindert. Ein wunderschönes Gesicht, sie lächelt uns an, freut sich, Monika und Michael zu sehen. Im letzten Jahr sei sie mit ihren Krücken der Länge nach hingefallen, als sie uns zur Begrüßung auf matschig glattem Boden entgegenhumpelte, erzählt Michael.

Die Familienverhältnisse sind unübersichtlich, einige Kinder sind von Esmeralda, andere wiederum von der Mutter, die neben ihr steht. Esmeralda wurde vermutlich mehrfach von ihrem Stiefvater geschwängert, der sich aber anscheinend nicht mehr um die Familie kümmern kann, weil er fast blind ist. Mindestens 5 Kinder schlafen in einem Raum, ein Raum ist ungenutzt. Das Haus ist mit Mitteln des Projektes gebaut. Esmeralda und ihre Mutter lachen herzhaft, als sie darüber sprechen, warum sie diesen Raum nicht als Küche nutzen. Er sei so schön kühl, sagen sie.

Die eigentliche Küche ist ein Bretterverschlag rechts am Haus. Dort dampft wieder ein Topf mit kochendem Reis. Die Familie hat kein Einkommen, zurzeit ist kein Ernährer da. Im Garten wächst etwas, was man kochen kann, zum Beispiel Bohnen oder Bananen. Reis muss erst gekauft werden, anderthalb Pfund wird benötigt, um einen Tag eine Familie zu ernähren. Ein Pfund Reis kostet etwa 10 Cordoba (etwa 50 Cent). Ein campesino verdient täglich für vier Stunden bezahlte Arbeit 30 Cordoba.

Das Material für Esmeraldas Haus, das wie alle anderen etwa zweieinhalbtausend Dollar kostete, musste mühsam herangeschafft werden. Es sind etwa 14 Kilometer von Santo Domingo bis hierher nach San José del Norte in die Bananenplantage.

Die Entscheidung über einen Hausbau fällt Alcides, der Leiter des Projektes, mit einem Komitee. Sie wissen über die Verhältnisse Bescheid und haben eine Kriterienliste aufgestellt, wer für ein Haus in Frage kommt, z.B. die allein erziehende Frau mit 6 Kindern. Ansonsten gäbe es Streit und Neid, denn viele möchten solch ein Haus haben. Auch beim Besuch in Esmeraldas Haus beeindrucken mich wieder der Gegensatz von sichtbarer Armut und Fröhlichkeit der Menschen, besonders der Kinder.

Auf der Rückfahrt fahren zwei dieser Kinder mit. Sie haben nachmittags Schule und stehen mit uns hinten auf offenem Wagen. Sie freuen sich, dass sie die staubige Steinstrasse nicht zu Fuß gehen müssen. Mindestens 3 Kilometer. Jeden Tag, hin und zurück. Bei Wind und Wetter.

Auf der Rückfahrt besuchen wir noch Doña Paulita, irgendwo mitten auf der Insel, am Fuß des Vulkans Concepción. Sie lebt auf einem vergleichsweise großen Hüttengelände, hat Fernsehen. Sie ist um die 80 Jahre. Hat lange weiße Haare, zu einem Zopf gebunden. Sie ist so der Typ der „weisen Alten“ und hat viel erlebt, viele Menschen auf der Insel zur Welt kommen und sterben sehen. Jetzt ist sie an einer Grenze ihres Lebens angekommen. Sie erzählt Monika und Michael, die sie lange und gut kennt, dass sie spürt, wie ihre Kräfte nachlassen. Sie scheint sich auf ihr Sterben vorzubereiten. Sie ist Kräuterfrau und Künstlerin, schnitzt Kalebassen (Baumkürbisse) in den verschiedensten Formen, als Teller, Schälchen oder auch Rasseln, die ihr das Projekt schon seit Jahren abkauft. Sie will jetzt alles loswerden, breitet ihre Bestände auf einem Tischchen aus. Ich frage mich, wie viele Stunden sie daran gearbeitet haben mag. Jetzt ist es genug.

Monika und Michael kaufen alle ihre Kalebassen, Alcides rechnet zusammen und verpackt die Schnitzereien in Plastiktüten. Mir schenkt Doña Paulita eine Flasche mit langem Band. Ich bin gerührt. Das sind so die heiligen Momente auf dieser Reise. Eindrücke, die mich noch lange begleiten werden.

2. Woche

Gespräch mit der Psychologin Karla Varela

Ich treffe Karla, die als Psychologin im Projekt arbeitet und mit der ich mich austauschen möchte. Sonia aus Österreich, Hotelbesitzerin am Ort, ist als Übersetzerin dabei. Wir sitzen auf der Terrasse ihres Hotels, es gibt starken Kaffee.

Karla erzählt von ihrer Arbeit. Dabei ist ihr Gesicht voller Lebendigkeit und Dynamik, ihre Augen strahlen, ihr breiter Mund erzählt und ihre Hände gestikulieren. Eine Frau mit Herz und Verstand, die eine schwierige Arbeit macht.

Ihre Arbeit besteht aus drei Bereichen:

Die erste ist Evaluation, d.h. sie testet Kinder, die ins Physiotherapiezentrum gebracht werden, ob sie für eine Behandlung geeignet sind. Sie arbeitet auch mit traumatisierten Kindern. Ich konnte sie bei ihrer Arbeit beobachten mit einem Jungen, der durch einen Krankenhausaufenthalt traumatisiert war. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Psychologie mit Kindern und Erwachsenen, zumindest auf Ometepe nicht. Ein zweiter Bereich ist ihre Sprechstunde, die in der Regel von Frauen besucht wird, von Müttern, deren Kinder gerade behandelt werden. Ein Gespräch dauert eine Stunde. Als besondere Problembereiche nennt sie häusliche Gewalt, aber auch Panikattacken oder generalisiertes Angstsyndrom und Depressionen. Sie hat auch eine Ausbildung in Traumatherapie gemacht, gelegentlich macht sie auch Arbeit in Frauengruppen und vermittelt Strategien gegen häusliche Gewalt.

Ihr Studium in Managua hat 5 Jahre gedauert, bis zum Diplom, sagt sie. Ich vermute, dass sie keine Therapieausbildung danach gemacht hat und frage auch nicht danach. Die Unterscheidung Beratung und Therapie gibt es nicht in Nicaragua. Ein solch segmentiertes System kann sich ein armes Land wie Nicaragua nicht leisten. Gespräche sind eben „terapia“. Karla ist die erste Psychologin, die auf Ometepe arbeitet. Ein dritter Bereich ist das Aufsuchen von Familien, in denen Probleme wie Depression, Suizidalität oder Gewalt herrschen. Dorthin kann sie nur in begrenzten Fällen, und sie gibt bis zu fünfzehn Mal als durchschnittliche Besuchszahl an. In der Familie spricht sie mit allen, die sie antrifft. Aber es kann auch sein, dass die Männer sich verdrücken, wenn sie sehen, dass sie kommt. In einzelnen Fällen arbeitet sie mit der Polizei zusammen und zeigt Männer wegen Gewalt an.

Wenn man so will, ist Karla „Mädchen für alles“, und sie amüsiert sich ein wenig, als sie von unseren fachlichen Unterscheidungen hört. Das wäre in ihrer Praxis ziemlich absurd. Sie kennt aber auch ihre Grenzen und verweist Menschen in Fällen von schwerer Depression o.ä. an Ärzte zur Behandlung. Für sich selbst hat sie regelmäßig Gespräche mit einem Professor ihrer ehemaligen Uni.

Sie ist ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems auf Ometepe, und ihre Arbeit repräsentiert etwas von dem, was sich mit dem Namen „Esperanza“ (Hoffnung) verbindet.

3. Woche – Besuch in San Pedro

Am drittletzten Tag unserer Reise machen wir uns auf den Weg nach San Pedro, das liegt am äußersten Ende der Insel, hinter dem Vulkan Maderas. Es ist eines der ärmsten Dörfer Ometepes. Um dorthin zu gelangen, muss man um den Vulkan herumfahren, auf unwegsamen Strassen, die noch unbefahrbarer sind als bisher. Wir rumpeln über Steine, Querrinnen und abschüssige Teilstrecken mit Kuhlen, durch die man ganz langsam fahren muss. So werden wir durchgerüttelt, kommen aber vorwärts und sind nach anderthalb Stunden, ca. 25 km, da. Die Hütten werden bei der Fahrt immer ärmlicher, aber es gibt jede Menge Grün, Felder mit großen Stauden, mit Reis, Mais oder Bananen, riesige Bäume, die Schatten spenden.

Das Ambulanzteam ist schon da und wartet auf uns. In einem kleinen Gebäude, das als medizinischer Standort vom Projekt gebaut wurde anstelle einer einfachen Hütte, behandelt Dr. Alvarado die dort schon wartenden Frauen. Vergangene Woche konnten sie dort keinen Arzt treffen, das Team konnte wegen zu starker Regenfälle nicht fahren. Sonst fahren sie jeden Dienstag. Karla und Rosario, eine Sozialarbeiterin, wollen mit uns zwei Familien besuchen. Wir teilen uns in zwei Dreiergruppen und fahren wieder eine längere Strecke. Karla, Michael und ich besuchen eine Familie, in der es erblich bedingte Probleme mit Depressionen gibt und die Karla behandelt hat. Eine fröhliche Frau mit 5 Kindern empfängt uns, von Depression ist nichts zu spüren. Ich erfahre, dass es um ihren Mann und seine Familie geht, zwei seiner Brüder haben schon Suizid begangen, er selbst war nahe dran, es ging ihm oft schlecht. Karla hat Gespräche besonders mit Ehefrau und Mutter geführt, um Verständnis dafür zu wecken und bei Umgang mit depressiven Schüben zu helfen. Es gelang aber auch, ihn an einer Art Ritual zu beteiligen, bei dem er auch weinen und reden konnte. So wurde die Bedrohung für alle geringer. Der Mann kommt am Ende unseres Gespräches auch dazu, lacht und bedankt sich. Mir fällt auf, dass der Humor eine große Rolle beim Umgang mit Problemen spielt, auch und gerade bei seelischen. Besonders Karla lacht gerne und viel. Auf dem Rückweg von der Hütte erklärt sie uns genauer ihr Vorgehen bei ihren Gesprächen in Familien. Es gibt ein erstes Gespräch von etwa 30 Minuten, dann wird das Problem der Familie herausgearbeitet.

Die drei wesentlichen Problembereiche sind Suizid bzw. Depression, Alkohol und violencia (Gewalt). Dann folgen Gespräche (comunicación) über die genannten Problemthemen. Wichtig ist, dass es einen „compromiso“ (Vereinbarung) gibt. Es kann auch vorkommen, dass nach zwei Besuchen die Behandlung abgebrochen werden muss, weil keine Kommunikation zustande kommt.

Die Methoden sind mir vertraut, die Umstände allerdings sind völlig andere. Es müssen Schwellen und Hindernisse, wie lange Wege, überwunden werden. Manchmal ist bei Karlas Ankunft das Haus leer, Telefon gibt es natürlich nicht. Am Ende fahren wir noch bei einer Familie vorbei, in der vor kurzem eine junge Frau mit 29 Jahren verstorben ist, Mutter von 4 Kindern. Zwei Söhne haben sich in der Familie schon mit Pflanzengift umgebracht. Wie kann man damit leben, frage ich Michael bei der Rückfahrt. Weiterleben, sagt er, ein Wort von Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie. Überall gibt es lebende Menschen, die der Zuwendung und Fürsorge bedürfen. Keine Zeit für lange Trauer- und Therapieprozesse. Wohl auch nicht für Sinn- und Identitätskrisen, die Wohlstandsneurosen unserer Gesellschaft, die in gepflegten Therapieräumen behandelt werden. Hier geht es jeden Tag darum, zu überleben, Menschen mit dem Notwendigsten am Leben zu erhalten. Wie wertvoll, dass es trotzdem medizinische und sogar psychologische Hilfe durch das Ometepe-Projekt gibt.

Portrait : Berta – Eine ungewöhnliche Frau

Berta ist unsere Haushälterin. Sie arbeitet mit Leidenschaft, ob es ums Kochen, Waschen oder Gräben ausschaufeln geht. Morgens um halb sieben kommt sie ins Haus, kurz nachdem wir unseren Morgenkaffee getrunken haben. Sie sagt „Hola“ – Hallo, der übliche Gruß. „Que tal?“ (Wie geht es?). „Bueno“, sage ich, da ich sonst kein Spanisch kann. „Bueno“ bekräftigt Berta, lächelt zufrieden und verschwindet in der Küche, um ein saftiges Frühstück zuzubereiten.

Sie hat ein Gesicht, das voller Stolz und Anmut ist, besonders, wenn sie lächelt. Alcides sagt, sie sei einmal die schönste Frau der Insel gewesen. Wenn man Bertas Töchter sieht, glaubt man das ohne weiteres. Berta hat sich vor kurzem taufen lassen. Sie gehört einer evangelischen Gemeinde an, wie es sie inzwischen häufig in Lateinamerika gibt, oft fundamentalistisch und von den USA ausgehend. Sie zeigt uns stolz ihre Taufurkunde, die schön bunt ist. Berta ist traurig, weil sie einige persönliche Sorgen hat, die sie nur Monika und Michael erzählt.

Wir unterhalten uns über den in Lateinamerika weit verbreiteten Machismo. Und so ist es durchaus üblich in Nicaragua und anderswo, dass ein Mann Kinder von mehreren Frauen hat und trotzdem bei einer lebt. Berta sagt, das dies nicht in ihr Weltbild und zu ihrem Glauben passt. In anderer Hinsicht ist Berta durchaus progressiv. Sie erzählt, dass sie Männer mit einer Machete aus ihrer Hütte treiben würde, wenn sie ihren Töchtern zu nahe kommen sollten. (Inzwischen sind 2 ihrer 3 Töchter mit anderen Männern zusammen und haben Kinder.) Berta findet das offenbar nicht so toll, weil sie fürchtet, dass sie von den Männern zu sehr beeinflusst und dominiert werden.

Ihre Tochter Flor besuchen wir auf dem Weg nach San Pedro. Sie ist zwanzig, ihr Mann 18 Jahre. Er hat verlangt, dass sie im Haus seiner Eltern wohnen. Flor ist glücklich, sie hat gerade ein kleines Mädchen bekommen. Wenn es nach dem für Frauen üblichen Lebenslauf geht, wird sie bald ein zweites und drittes bekommen. Dann ist sie vom Mann zunehmend abhängig und kann ihren Unterhalt nicht durch eigene Arbeit verdienen. Das heißt auch, dass sie keinen Beruf lernen kann, obwohl sie einen Schulabschluss hat.

Isania, die älteste Tochter von Berta, ist 26 Jahre und geht einen anderen Weg als ihre Schwestern. Sie ist von blendender Schönheit und sitzt eines Morgens bei uns am Frühstückstisch. Nach einem Touristikstudium lebt sie zuhause bei Berta, da sie keinen Job gefunden hat und lieber bei ihrer Mutter lebt. Am liebsten würde sie Ärztin werden, lässt sie durchblicken, sie will keine Kinder, lässt keinen Mann an sich heran. Aber dann müsste sie noch einmal studieren. Mit der Förderung des Projektes? Das muss die Zukunft bringen. (Mittlerweile gibt es eine deutsche „Patenschaft“ für Isania, die ihr ein Medizinstudium ermöglichen wird.)

Zwei Töchter, zwei ganz verschiedene Lebensläufe, wie sich jetzt schon zeigt. Berta ist stark und selbstbewusst und hat sich durch ihre Arbeit in der Quinta Monika einen bescheidenen Wohlstand geschaffen, in der sie seit 15 Jahren tätig ist. Ich habe sie ins Herz geschlossen.

4. Teil : Fazit und Reflexion

In meinen Göttinger Studienzeiten habe ich mich in meinen letzten Semestern intensiv mit der Befreiungstheologie in Lateinamerika und auch in Deutschland beschäftigt. Ich habe lateinamerikanische Autoren gelesen wie Gustavo Gutierrez, Leonardo Boff oder auch Dom Helder Camara, die in Brasilien, Mexiko und anderswo unter den Ärmsten der Armen gewirkt haben. Aber auch deutsche Theologen wie Helmut Gollwitzer, Dorothee Sölle oder Johann Baptist Metz, über den ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, gehörten zu den von mir gelesenen Schriftstellern. Was hat mich daran fasziniert? Dass das Evangelium für die Armen in Theorie und Praxis dort wie hier unmittelbar und sichtbar umgesetzt wird durch erkennbare Zuwendung, durch seelsorgerliche und psychosoziale Arbeit, aber auch durch politische Aktionen und Kampf gegen die Herrschenden.

Ich habe den Begriff der strukturellen Sünde kennen gelernt, der bedeutet, dass die ungerechte Verteilung von Armut und Reichtum, die in Lateinamerika noch viel extremer ist als bei uns, und die Verwehrung des Zugangs zu materiellen und kulturellen Ressourcen für viele Menschen eine Sünde ist, die die Bibel und auch Jesus – besonders im Lukasevangelium – auch genau so benannt und gemeint haben.

Ich habe die Überzeugung gewonnen, dass der Kampf gegen eine solche Ungerechtigkeit und die sie stabilisierenden Herrschaftsformen zutiefst notwendig und geboten ist, mit theologischen und gewaltfreien Mitteln. Ich glaube auch – und leide daran -, dass eine bürgerliche, unpolitische Theologie, wie ich sie hierzulande oft antreffe und an der ich auch beteiligt bin, keinen Sinn macht und am Evangelium Jesu vorbeigeht. Durch das Ometepe-Projekt habe ich, sicher im kleinen Maßstab, ein lebendiges, von Befreiungstheologie inspiriertes Projekt kennen gelernt. Dafür bin ich sehr dankbar. Das beginnt schon mit den Initiatoren Monika und Michael Höhn, die von dieser Theologie inspiriert sind.

Es setzt sich fort bei den Menschen, die im Projekt arbeiten und seine Hilfe in Anspruch nehmen. Sie sind durch ihren Glauben zu praktischen Taten der Liebe bewegt worden oder nehmen Hilfe ausdrücklich als im Namen Gottes geschehene an.

Ein wichtiger Schlüsselbegriff ist das Wort „Hoffnung – Esperanza“. Hoffnung bedeutet auch, zunehmend fähig zu werden, aus eigener Kraft die Probleme in die Hand zu nehmen und wenigstens teilweise bewältigen zu können. Das bedeutet Überwindung elementarer Not auf den Ebenen Gesundheit, Ernährung, Wohnen, aber Gewalt und Machismo. Dazu bedarf es vieler Anstöße und Hilfe von außen. Die leistet sichtbar das Ometepe-Projekt wie viele andere in Lateinamerika durch Bildung, Aufklärung, gesundheitliche Hilfe und Ernährungsprogramme. Es braucht viel Liebe und Geduld bei der Arbeit im Projekt, in der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, bei Missverständnissen, Konflikten und Rückschlägen.

Ohne Liebe und Hoffnung würde auch der Glaube nicht viel bringen auf Ometepe. Diese drei wirken zusammen, ganz im biblischen Sinne. Das ist Befreiungstheologie im ursprünglichen und echten Sinne, und das kann man spüren und sehen, wenn man da ist, auf Ometepe.

„Wer Ohren hat zu hören,
und Augen hat zu sehen,
der sieht mit Gewissheit
Zeichen der Hoffnung“

Dom Helder Camara, brasilianischer Bischof

Berichte von der Ometepe-Reise 2010 I

Bericht der Ometepe-Reise vom 30.05. bis 20.06. 2010

Von Anke Groß, Diplom-Sozialpädagogin

Ankunft in Managua am Abend des 30. Mai 2010. Wir nehmen Zimmer für eine Nacht direkt gegenüber dem Flughafen. Wir, das sind Monika und Michael Höhn, Matthias Schippel und ich, Anke Groß. Es ist schwül heiß, die Luft steht. Zum Glück haben unsere Zimmer Klimaanlagen. Wir treffen uns am frühen Morgen zum Frühstück und machen uns gegen halb acht mit einem bestellten Taxi auf den Weg nach Rivas. Jetzt beginnt meine Reise nach Ometepe erst richtig Wirklichkeit zu werden…

Zur Erinnerung nur ein paar Fakten zum Land: Nicaragua ist das zweitärmste Land Mittelamerikas nach Haiti. Es gibt in den ländlichen Gebieten, zu denen die Insel gehört, ca. 80 % Arbeitslosigkeit. Seit 2007 ist Daniel Ortega rechtmäßig gewählter Präsident und die linke FSLN Regierungspartei. Er hat das „zero-hambre“-Programm („Kein Hunger“) als große Zielvorgabe proklamiert, d.h. dass u.a. alle Schulkinder kostenlos eine Mahlzeit in der Schule bekommen sollten, musste davon aber schon bald aus Kostengründen wieder zurücktreten. Gesundheit und Bildung sind zwar umsonst, aber schon die Grundversorgung ist mangelhaft. Der Staat ist Kreditgeber an kleine und mittlere Produzenten um Nahrungsmittelimporte zu verringern, aber der Staat hat de facto kein Geld. In all diesen Bereichen trifft die Hilfe durch das Ometepe-Projekt voll ins Schwarze. Dazu im Folgenden mehr:

Ich berichte Ihnen über meine Schwerpunktthemen. Da schon viele von Ihnen auf der Insel waren, ist die Entwicklung der Projekthilfe aus den Grundlagen bekannt. Deshalb schildere ich Ihnen meine Eindrücke vom Häuserbau, dem Therapiezentrum, der gesundheitlichen Versorgung, der Investitionen in Bildung und Genossenschaft. Meine Gliederung ist chronologisch, d.h. in der Reihenfolge der gewonnenen Eindrücke. Also beginne ich mit der

Infrastruktur:

Meine ersten Eindrücke vom Land sind Straßen und Landschaften. Die Ausfallstraßen aus Managua und dann die Panamericana sind in einem erstaunlich guten Zustand. Wir fahren zügig und immer laut hupend, um die anderen Verkehrsteilnehmer, Radfahrer, Mofafahrer, Rikschas, Busse, Kleinlaster, Schwertransporter, nicht zuletzt Fußgänger und jede Menge Tiere, die evtl. vorhaben unsere Vorfahrt zu missachten, zu warnen. Die Landschaft ist herrlich grün und könnte uns in Urlaubsparadiesstimmung versetzen, wären da nicht jede Menge armseliger Hüttenbauten am Straßenrand und Menschen, die ohne erkennbaren Auftrag am Straßenrand sitzen.

In San Jorge, dem Hafen von Rivas, erwartet uns schon Alcides Flores, und wir setzen über zur Insel Ometepe mit einem ziemlich verrosteten Kahn, aus welchem ein Angestellter während der Überfahrt ständig Wasser schöpft, was aber niemanden zu beunruhigen scheint. Es gibt natürlich auch größere Fährschiffe in deutlich besserem Zustand, die wir auch noch kennen lernen werden. Auf diesem Boot haben wir unerwartet unsere erste Begegnung mit der effektiven Hilfe durch das Projekt: Eine junge Mitreisende leidet unter heftigen Schmerzen, andere Frauen kümmern sich sehr fürsorglich um sie und ihr Kind.

Ihr Zustand wird aber eindeutig schlechter und Alcides nimmt das nach kurzem Gespräch mit ihr zum Anlass, den Projektarzt Dr. Roberto Alvarado mit dem Ambulanzwagen zum Anleger zu beordern. Auf der Insel angekommen steht der Doktor mit Wagen und Schwestern schon bereit und bringt die junge Frau nach kurzer Untersuchung nach Hause, wo sie weiter betreut wird. Für Matthias und mich ist das ein erster Eindruck von schneller erster Hilfe, die es so auf der Insel sonst gar nicht gibt, sondern nur durch die Projektarbeit erst möglich ist. Tage später sehen wir die junge Frau im Vorbeifahren wieder. Sie erkennt das POA-Auto und winkt uns zu. Wir sind froh, dass es ihr wieder besser geht. Die Begrüßung schon am Anleger durch Mitarbeiter des Projektes ist sehr herzlich. Wir fahren über die neu ausgebaute Hauptverbindungsstraße bis zum Abzweig nach St. Domingo. Ab hier ist Baustelle und wir erleben in den folgenden Wochen, wie schnell der Ausbau der Straße mit Pflastersteinen mittels viel „manpower“ voranschreitet. Monika und Michael sind erstaunt über die Entwicklung des Straßenausbaus im letzten Jahr. Die Verbesserungen werden verschiedene Auswirkungen auf die Bevölkerung haben: Kurzfristig gibt es Arbeit im Straßenbau, aber auch mehr Waren, schnellere Notfallversorgung, aber auch Unfälle mit den vielen Tieren, die sich einfach so auf der Straße aufhalten und die den schnelleren Verkehr nicht gewöhnt sind. Und mit der Straße kommt das Internet nach St. Domingo. Auch das Handynetz ist deutlich erweitert. Die Entwicklung des Tourismus wird vorangetrieben.

Unsere Unterkunft für die nächsten fast 3 Wochen ist ein großes Ziegelhaus. Da wir nur 4 Personen sind, haben wir deutlich mehr Platz als die Reisenden in den vorangegangenen Jahren und ich staune über meinen Wohnkomfort. Jeder hat ein Zimmer für sich mit Moskitonetz und alles ist sehr einfach und zweckmäßig. Das Bad mit Dusche teilen Matthias und ich uns.

Wir lernen Berta kennen, die „Perle des Hauses“ und für uns in den nächsten 3 Wochen eine wichtige Kontakt- und Informationsperson, weil sie viele Familien und deren Probleme kennt. Am nächsten Tag gehen wir gemeinsam zu der Projektanlage in der Mitte von Santo Domingo gelegen. Alle Gebäude liegen nah beieinander, das Schulgebäude direkt an der Straße, die Gesundheitsstation, die Apotheke und das Therapiezentrum dahinter Richtung Strand. Ein kleiner Spielplatz ist in der Mitte angelegt.

Vor dem Arztzimmer warten geduldig Kranke und Angehörige. Mein erster Eindruck ist sehr positiv wegen der Offenheit und der viel beschriebenen Freundlichkeit der Menschen, ob Mitarbeiter oder Hilfesuchende, der peniblen Sauberkeit draußen und drinnen.

Gesundheit:

Von den Gesundheitsstationen bzw. –stützpunkten, die um den Vulkan Maderas seit Beginn der Arbeit aufgebaut wurden, ist schon viel berichtet worden, deshalb widme ich mich der Beschreibung des Therapiezentrums und der psychosozialen Betreuung. Vorher will ich noch auf den Häuserbau eingehen, weil er in seiner Wichtigkeit in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit der Menschen steht. Wir haben einige der armseligsten Häuser und Hütten besucht, die eines immer gemein hatten: Eine offene zugige Herdstelle, die oft nur dürftig mit Plastikfolien windgeschützt ist, ein Holzkohlefeuer, das einen beißenden Geruch verteilt und verantwortlich ist für die chronischenAtemwegserkrankungen der Kinder, Müllverbrennungsstellen direkt an den Häusern, weil es keine Müllabfuhr gibt, Ansteckungsgefahr für alle aufgrund der engen Wohnverhältnisse vor allem in der Regenzeit, und natürlich auch die seelischen Auswirkungen aufgrund des nahen und distanzlosen Lebens von manchmal bis zu 8 Personen in 2 Zimmern.

Wir haben im Therapiezentrum Mercedes und Oldemar kennen gelernt, eine allein stehende Mutter mit ihrem 15 jährigen schwerstbehinderten Sohn, für die der nächste Hausbau in Angriff genommen wurde. Sie ist ohne jegliches Einkommen und lebt von Almosen ihrer Familie. Sie erzählt Monika verschämt, dass sie belästigt wird von einem Familienmitglied und dass sie es als Segen empfindet, ein kleines eigenes Haus zu haben, das sie verschließen kann. Sie strahlt, wann immer wir sie sehen. Ihr Haus wird das 155. sein. Die meisten sind um den Vulkan Maderas erbaut, die am meisten vernachlässigte Region auf der Insel. Wir haben in den 3 Wochen den Teilaufbau erlebt. Unter schwierigen Transport- und Arbeitsbedingungen wurde die Rodung des Grundstücks, der Transport des Materials und dann der Aufbau der Wände und des Dachs unglaublich schnell bewältigt.

Die Bauweise ist denkbar einfach: Die Grundfläche ist ca. 7 x 7,50 m. Die Bausteine sind aus leeren Plastikflaschen, die in Holzrahmen gelegt und mit Beton übergossen werden. Es gibt 2 Räume, 2 Türen, 4 Fenster, Luftsteine und eine lange Terrasse davor. Keine Glasscheiben, keine Wasser- und Stromleitungen. Das ist Eigenleistung der Familie. Draußen muss eine 4m tiefe Latrine ausgehoben werden.

Das Therapiezentrum:

Mütter wie Mercedes nehmen 3x wöchentlich einen unglaublichen Weg auf sich, damit ihre Kinder die Therapie erhalten. Sie werden zur Therapie mit angeleitet. Sie profitieren sicher auch vom Austausch mit den anderen, meist Müttern. Das Fahrgeld wird erstattet, eine Mahlzeit wird auch ausgegeben.

Im Zentrum gibt es, soviel ich beurteilen kann, viel Therapiematerial und Geräte in sehr gutem Zustand. Es läuft Musik, der Wind weht durch den Raum, es herrscht eine gute entspannte Stimmung vor. Schulkinder kommen und gehen von selbst wieder. Jeder ist willkommen. Deshalb ist es für mich eine schöne Erfahrung, einfach dort zu sitzen und dem Treiben zuzuschauen. Ich habe den Eindruck, dass der Ablauf der Therapien nach festen Regeln und Plänen verläuft. Der Therapeut Alvaro Sandoval hat die Übersicht und greift korrigierend in die Therapie, die die Mütter und die Helferinnen durchführen, ein. Er arbeitet eng mit Dr. Alvarado zusammen.

Der Bedarf nach Therapie ist immens, es ist die einzige Einrichtung auf der Insel. Deshalb gibt es Umzugspläne in das Schulgebäude. Behinderungsgründe kann ich nur erahnen: Wie überall gibt es einen natürlichen Anteil von Down Syndrom und genetischen Ursachen. Hier kann die mangelhafte Schwangerenbetreuung, Risikoentbindungen und natürlich die Erstversorgung der Säuglinge eine große Rolle spielen. Aber ich vermute auch Entwicklungsschäden durch den massiven Einsatz von Insektiziden und anderen Giften, die ohne Schutzvorkehrungen auf die Plantagen gespritzt werden. Ohne den Einsatz des Projektes sind behinderte Kinder und Jugendliche auf der Insel, wie übrigens auch fast im ganzen Land, völlig ohne Therapie und Außenkontakten. Die Mütter ebenso. Diese Arbeit muss unbedingt in der Zukunft erhalten bzw. ausgebaut werden.

In diesem Zusammenhang steht auch die Unterstützung der Casa Materna, des Geburtsvorbereitungshauses, welches aus Mittel des Projektes unterstützt wird. Ein Schutzraum für oft ganz junge Schwangere kurz vor der Geburt und vielleicht auch ein Prophylaxemittel für prä- oder postnatale Behinderungen.

Die psychosoziale Beratung:

Ich will von Karla Varela, der Psychologin und von Rosario, der Sozialarbeiterin erzählen, die eine Arbeit machen, die mir persönlich sehr nahe steht:

Sie fahren immer dienstags mit dem gesamten Ambulanzteam um Dr. Alvarado nach San Pedro, einen Ort hinter dem Vulkan, der die letzte Gesundheitsstation des Projektes beherbergt. Die anderen konnten im Laufe der Zeit wieder zurück an die staatliche Gesundheitsbehörde MINSA übergeben werden, die sie mit eigenem Personal betreibt. Allerdings fehlt es hier oft an Medikamenten. Das Projekt hilft dann aus.

Karla und Rosario machen eine aufsuchende Arbeit in den Familien und wir durften sie begleiten. Sie werden sehr häufig um Gespräche angesucht. Die Themen sind erschreckend häufig: Selbsttötungen in der Familie, Depressionen, Gewalt durch Männer, Lebensangst und Todessehnsucht. Monika und ich begleiten Rosario, die eine Großmutter aufsucht, die ihren Sohn durch Suizid verloren hat. Sie berichtet wie wichtig ihr diese Gespräche sind, weil sie nie in ihrem Leben für diese Themen Zuhörer hatte. Alles wird totgeschwiegen. Die Männer sind auch da die Machos.

Als ich sie nach den Wünschen für ihr weiteres Leben frage, ist sie sprach- und hilflos. Darüber nachzudenken ist Luxus für sie: Es geht nur um ihr Überleben und die Versorgung ihrer Enkelkinder.

Karla behandelt zeitgleich einen jungen Vater, der den Anforderungen seiner Umwelt nicht mehr standhalten kann. Er hat keine Arbeit, keine Perspektiven, die Verantwortungen drücken ihn und er hat schon einen Suizidversuch hinter sich. Karla ermöglicht ihm 15 Sitzungen (Gespräche), deren Inhalt sie strukturiert und evaluiert und bei Bedarf auch Dr. Alvarado mit einbezieht. Beide werden zu immer mehr familiären Problemen gerufen, weil sich der Erfolg ihrer Interventionen herum gesprochen hat.

Diese Arbeit hat mich sehr beeindruckt, denn auch sie geht über die medizinische Grundlagenversorgung weit hinaus, aber der Mensch besteht eben nicht nur aus seinem Körper.

Krebsbehandlung:

Ein weiterer Schwerpunkt in der gesundheitlichen Versorgung war für mich der Blick auf die Krebsbehandlung. Der sind hier einige logistische Grenzen gesetzt, und das kann ich als Westeuropäerin nur schwer akzeptieren. Berta hat uns wiederholt berichtet von etlichen jungen Müttern, die vor kurzem an Krebs gestorben sind. Fabiola, die Gynäkologin, die 2x im Monat auf die Insel kommt, berichtet, dass z. Zt. für 3 Jahre 4 Millionen US$ für PAPAbstriche bereit stehen, von denen ca. 3% pos. sind. Und dann? Im Ernstfall wird in einer der größeren Städte die OP durchgeführt. Nachsorge und – behandlung können in den wenigsten Fällen durchgeführt werden, weil der Zugang zur stationären Behandlung vielen nicht möglich ist. Die Krankenhäuser bieten medizinische Hilfen, keine Pflege und kein Essen. D.h. Familienangehörige müssen mit, Kinder bleiben zurück, Geld für Transport, Kleidung u. ä. fehlt. Und alles über lange Zeit. Mir will nicht in den Kopf, warum Chemotherapie nicht auf der Insel in absehbarer Zeit möglich sein soll. Alles eine Frage des Geldes, der Fachlichkeiten und letztlich der Bildung.

Aber z. Zt. führt eine Krebserkrankung immer noch bei den Frauen dazu, dass sie mit ihrer unsäglich großen Angst alleine bleiben und alles abwarten, bis es zu spät ist.

Ernährung:

Vor 17 Jahren war die Ernährung der Kinder eine Grundlagenversorgung, die einen Schwerpunkt einnahm. Heute ist das, denke ich, ein wenig entspannter. Es gibt aber immer noch eine Menge Familien, die für 5-8 oder mehr Esser mittags nur einen Topf Reis auf dem Feuer haben. Wir haben immer mal wieder in die Töpfe geschaut. Und in Zeiten von Naturkatastrophen setzt ganz schnell der Hunger wieder ein.

Der Reis bleibt die wichtigste Nahrungsgrundlage. Der Reispreis ist entscheidend für das Überleben von armen Familien. Wir haben Projekthäuser besucht, in welchen in einem der 2 Zimmer der Reis gelagert war, damit er nicht dem Regen und der Fäulnis oder dem Verzehr durch Tiere zum Opfer fiel. Diese Restbestände schwinden schnell und die neue Ernte dieses Jahr scheint nicht verheißungsvoll zu werden, nachdem erst der Regen ausblieb und dann mit allzu großer Wucht die kleinen Pflänzchen wieder vernichtete Mit dem Schwinden des Reisvorrats steigt die Angst vor dem Hunger der Kinder. Die Insel bietet klimatisch sehr viele Anbaumöglichkeiten von Obst und Gemüse, aber der Boden ist überwiegend nicht in privatem Besitz. Einge größere Bauern haben Bananenplantagen, wo einfache Landarbeiter für 4 Std. Tagesarbeit 30 Cord. / 1.50 US$ verdienen. Also gibt es viel Mangelernährung und Krankheitsanfälligkeiten gerade bei Kindern.

Früchte und Gemüse auf dem Markt sind sehr teuer. Die kostenlosen Früchte, z. B. Mangos hängen an riesigen Bäumen, werden, ähnlich wie hier bei uns die Äpfel, oft verschmäht, wenn statt dessen eine kleine Tüte Popcorn oder Chips als Lückenfüller im Angebot ist. Außerdem sind die Früchte schnell verderblich und können schlecht konserviert werden. Und wer von den Ärmsten hat schon einen Kühlschrank.

Bei diesem Thema wurde mir bewusst, wie schwer ich mich damit tue, von den eigenen Maßstäben loszulassen und einfach erst mal hinzuschauen und wahrzunehmen, ohne direkt zu vergleichen oder zu urteilen.

Bildung – Die Grundlage jeder gesellschaftlichen Entwicklung:

Vor 17 Jahren wie auch heute immer ein Schwerpunktthema. Auch hier ist das Projekt schon einen Schritt weiter und investiert in die Bildung der Multiplikatoren.

Junge Menschen werden in Ausbildung oder Studium finanziell gefördert und müssen nach Abschluss und Anstellung ihre Unterstützung wieder abstottern. Über 50 junge Leute sind aktuell in der Förderung. Wenn sie dann noch auf die Insel zurück kommen und ihre Bildung und Kompetenzen in die Verbesserung der Lebensbedingungen investieren, ist das Hilfe zur Selbsthilfe vom Feinsten.

Die Schulbildung ist überall staatliche Aufgabe und kostenlos. Nur die Chancen auf höhere Abschlüsse sind, wie oft in Entwicklungsländern direkt vom US$ abhängig. Wenn Schulabgänger zum Familieneinkommen beitragen müssen, fällt alles Weitere flach, es sei denn, sie werden unterstützt.

Im September kommen 4 junge Leute, die genau darüber berichten werden…. Wir haben die Familien der vier besucht und den Stolz der Mütter gesehen.

Genossenschaft:

Die landwirtschaftliche Genossenschaft, die auch durch die Städtepartnerschaft mit Herne gefördert wird, stellt den Kleinbauern Mikrokredite zum Beackern ihrer Felder zur Verfügung. Sie wird mit einem monatlichen Beitrag vom Projekt gefördert. Der Rücklauf des Geldes ist erstaunlich hoch.

Der Sinn von Mikrokrediten für Kleinproduzenten ist die Loslösung von Großkonzernen, bzw. die Alternative zur wahrscheinlichen Arbeitslosigkeit. Wir hatten leider keine Zeit mehr, mit Dr. Jorge Quintana, dem Leiter, ins Gespräch zu kommen, aber dass dieser Einsatz sinnvoll die Selbsthilfe unterstützt, steht für mich außer Frage.

Fazit:

Ich habe mir hier meine Schwerpunktthemen herausgepickt. Aber viele von Ihnen kennen und begleiten das Projekt seit vielen Jahren, und viele waren schon auf der Insel. Ich kann im Allgemeinen sagen, dass mich diese Projektarbeit in seiner Entwicklung, seiner immer neu überlegten und definierten Schwerpunkte sehr beeindruckt.

Mir ist jetzt erst bekannt, welche Entscheidungskompetenz den Mitarbeitern vor Ort, im Wesentlichen Alcides Flores, zuerkannt wird. Anträge auf Einzelfallhilfen müssen ihm schriftlich mit Kostenaufstellung vorgelegt werden. Der Nachweis der Bedürftigkeit wird sehr genau vor Ort recherchiert. Die Gelder werden sehr exakt verwaltet mit monatlichen. Aufstellungen. Das ganze steht und fällt mit den Mitarbeitern hier und auf Ometepe. Deshalb wünsche ich dem Ometepe-Projekt für die Zukunft alles Gute und Menschen, die, wenn es nötig wird, mit gleichem Engagement und Herzblut dann weiter machen, wenn jetzige Verantwortliche nicht mehr zur Verfügung stehen können.

Dank an die Städtepartnerschaft Herne-Ometepe – Anschaffung eines Kleintransporters für die Agrargenossenschaft

Die Agrargenossenschaft mit unserem Mitarbeiter, dem Agrar-Ingenieur Dr. Jorge Quintana, hat seit Dezember 2009 endlich den lange ersehnten Kleintransporter erhalten. Der Transporter ist im Einsatz, um die Ernte der Bauern zu transportieren oder Saatgut auszufahren. Auch für das Aufsammeln von Müll ist der Wagen im Einsatz. Bei unserem diesjährigen Besuch im Juni 2010 konnten wir uns von der Notwendigkeit dieser Anschaffung, die mit Hilfe des BMZ realisiert werden konnte, überzeugen.

Wir sind froh, dass Olaf Kleffmann von der Sektion Herne – Ometepe in Zusammenarbeit mit Frau Göhlen von BENGO die administrativen und komplizierten Abrechnungsmodalitäten durchgeführt haben. Der Kleintransporter kostete 21.917,63 €, wovon die Sektion Ometepe einen Eigenanteil von 25% trägt und 5.479,38 aus Spendengeldern finanziert werden konnten. Die restlichen 75% werden durch die BMZ-Förderung gedeckt. Eine gute Hilfe für Informationen über Ometepe ist die deutsche Entwicklungshelferin vom DED, Bernadette Kurte.

Dank auch an Udo Jakat, unter dessen Federführung von der Sektion Ometepe im Herner Partnerschaftsverein e.V. eine Spendenaktion durchgeführt werden soll, dessen Geld für die Einrichtung von notwendigen Latrinen verwendet werden soll. Wir sind froh darüber, dass sich unsere 17-jährige Zusammenarbeit mit Ometepe inzwischen auf unterschiedlichen Schultern verteilt.

Ergebnisse guter Zusammenarbeit und Vernetzungen – Dank an die Österreicher

Wir freuen uns über die Überweisung von insgesamt 1.750 €, die uns unsere österreichische Kooperantin Dipl. Ing. Marisol Silva Platzer aus Krems geschickt hat.

Wir danken der Schule für die großzügige Spende, die für die Bildungsarbeit (Stipendienfonds) auf Ometepe verwendet werden soll.

Mehr dazu im folgenden Artikel: http://www.hakkrems.ac.at/…

Entwicklungs-Zusammenarbeit, die etwas bewegt

Mit erfreulichen Ergebnissen aus Ometepe zurückgekehrt

Gruppe  aus Ometepe die im September 2010 nach Wiehl reist.„Schön, dass Ihr trotz der tropischen Temperaturen hier nach Faulmert gekommen seid,“ begrüßte Monika Höhn die Freunde und Förderer sowie den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Wiehl, Wilfried Bast (SPD) und Wolfgang Lenz (FDP) aus Bergneustadt.

50 Freunde und Förderer waren auch diesmal zum traditionellen Ometepe-Treffen in die Cafeteria der Behinderten-Werkstätten nach Wiehl-Faulmert gekommen. „Wir betrachten die regelmäßigen Treffen vor allem auch als Möglichkeit zur Begegnung. Hier treffen sich Menschen, die etwas bewegen und verändern wollen – hier bei uns und in Nicaragua – und dazu sind alle herzlich eingeladen.“

Im Mittelpunkt des Abends standen die starken Eindrücke von der mehrwöchigen Ometepe-Reise, von der Anke Groß, Diplom-Sozialpädagogin aus Wiehl, Pfarrer Matthias Schippel aus Waldbröl sowie Monika und Michael Höhn gerade zurückgekehrt sind.

Konfessions- und parteiübergreifende Entwicklungsarbeit

Seit 17 Jahren bemühen sich die Initiatoren des Ometepe-Projektes um eine partei- und konfessionsübergreifende Vernetzungsarbeit, die immer mehr Menschen für das Interesse an einer Zusammenarbeit mit diesem zweitärmsten mittelamerikanischen Landes Nicaragua gewinnt.

Anke Groß hatte einen ausführlichen Bericht zusammengestellt und detailliert über ihre Eindrücke in Schule, im Gesundheitszentrum und in der Behinderteneinrichtung berichtet.

Begegnungen mit Menschen auf Augenhöhe

„Es waren vor allem die Begegnungen der Menschen in ihren Hütten, zu denen wir durch das gewachsene Vertrauen zu Monika und Michael und dem Projektleiter Alcides Flores Zugang hatten und immer wieder freundlich begrüßt wurden“, sagte sie. „Ein Basis-Projekt von Menschen hier zu den Menschen dort, das mich überzeugt hat – ohne eine staatliche Hilfe.“

„Wir haben geweint und gelacht, “ sagt Pfarrer Matthias Schippel, der tief beeindruckt von seiner dreiwöchigen Reise nach Ometepe zurückgekehrt ist. „Oft bin ich an meine Grenzen gestoßen, z.B. als ich mit der Psychologin Karla Varela in einem der ärmsten Dörfer auf der Insel unterwegs war. Suizid, Gewalt und Depressionen gibt es ähnlich wie bei uns.“

Matthias Schippel, der sich während seines theologischen Studiums auch mit der Befreiungstheologie beschäftigt hatte, wird hier unmittelbar und ganz persönlich: „Durch das Ometepe-Projekt habe ich, sicher im kleinen Maßstab, ein lebendiges, von Befreiungs-theologie inspiriertes Projekt kennen gelernt. Dafür bin ich sehr dankbar. Das beginnt schon mit den Initiatoren Monika und Michael Höhn, die von dieser Theologie inspiriert sind.

Es setzt sich fort bei den Menschen, die im Projekt arbeiten und seine Hilfe in Anspruch nehmen. Sie sind durch ihren Glauben zu praktischen Taten der Liebe bewegt worden oder nehmen Hilfe ausdrücklich als im Namen Gottes geschehen an.“

Hausbau für Familien mit schwerstbehinderten Kindern

Mutter mit schwerstbehindertem Sohn erhält das Haus.Nach den beeindruckenden Berichten der beiden Mitreisenden wurden anhand einer Power-Point-Präsentation die Aktivitäten und Entwicklungen im zweiten Quartal 2010 in Deutschland und auf Ometepe dokumentiert.

Wolfgang Lenz, FDP-Ratsherr aus Bergneustadt und Geschäftsführer der Firma JägerAusbau hatte bereits vor Jahren das Dach des Ometepe-Modellhauses vor dem Berufskolleg Dieringhausen gesponsert. Vor der Abreise nach Ometepe erhielt das Projekt von ihm 4.800 € für den Hausbau für eine besonders bedürftige Familien. Diesen Betrag wird er dem Projekt nun jedes Jahr spenden.

Der Bauunternehmer Ulrich Pflitsch aus Wiehl und der Architekt Thomas Klapp aus Reichshof hatten im Mai 2.500 € als Dank für den erfreulichen Verkauf von Wohnungen am Wiehler Weiherplatz überwiesen.

„Wir haben miterlebt, wie das erste Haus für eine Familie mit einem schwerstbehinderten Jungen fertig gestellt wurde“, freuten sich die Höhns und zeigten Fotos davon. „Und das nächste Haus für eine weitere Familie ist bereits im Bau.“

Zum Schluss gab es noch eine Überraschung von Wolfgang Lenz: „Ich habe weitere 1000 € als Spende erhalten, die ich bereits auf das Ometepekonto beim Ev. Kirchenkreis überwiesen habe.“

Ende August kommt zum ersten Mal eine sechsköpfige Gruppe jüngerer Leute aus Ometepe nach Deutschland und wird drei Wochen zu Gast in Wiehl sein. Dann werden alle Beteiligten Gelegenheit haben, sich auch persönlich kennen zu lernen.

Mit einem reichhaltigen Buffet, zu dem jeder und jede einzelne beigetragen hatte, ging ein beglückender Begegnungsabend zu Ende.